Wiener Walzer

Der Wiener Walzer ist ein Gesellschafts- und Turniertanz, der paarweise getanzt wird und zu den Standardtänzen des Welttanzprogramms gehört. Mit ungefähr 60 Takten pro Minute ist er nach Takten, wenn auch nicht nach Taktschlägen, der schnellste Tanz des Welttanzprogramms.

Geschichte

Der Walzer, zur Unterscheidung vom Langsamen Walzer (English Waltz) und dem Französischen Walzer meist Wiener Walzer genannt, ist der älteste der modernen bürgerlichen Gesellschaftstänze. Er wird in den 1770er Jahren erstmals in einer Alt-Wiener Volkskomödie von Felix von Kurtz, dem Schöpfer der „Bernardon“-Figur, erwähnt und wurde vor der Französischen Revolution berühmt, weil er das aristokratische Menuett als maßgebenden Gesellschaftstanz verdrängte.
Der Walzer entstand aus dem „Deutschen Tanz“. Ob der Ländler ein Vorläufer des Walzers war oder sich parallel entwickelte, ist umstritten.
Der Walzer war zunächst wegen Unzüchtigkeit, z. B. weil die Fußknöchel der Damen sichtbar waren, aber vor allem wegen der ständigen Berührung der Paare, verpönt. Offizielle Akzeptanz und sogar Beliebtheit gewann er durch den Wiener Kongress 1814/15. Die berühmten Musikstücke von Josef Lanner, Johann Strauß, dessen Sohn Johann Strauß und später Pjotr Iljitsch Tschaikowski machten ihn zu einer respektierten musikalischen Gattung (siehe Walzer (Musik)). In der Wiener Operette gegen Ende des Jahrhunderts stand der Walzer stets im Zentrum. Er wurde zunächst sehr schnell getanzt und bekam erst im Lauf des 19. Jahrhunderts die heutige „schwebende“ Form.
In den 1920er Jahren begann in Deutschland aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen und internationaler Einflüsse das Walzersterben. Modernere, dynamischere Tanzformen aus Übersee setzten sich durch. In England war der Wiener Walzer nie heimisch geworden, dort tanzte man Boston Waltz oder später den Langsamen Walzer.
Im alpenländischen Volkstanz wurde und wird der Walzer immer getanzt, als eigenständiger Tanz oder als Bestandteil anderer Tänze. Er wurde zu Beginn der dreißiger Jahre vor allem in Deutschland und Österreich zunächst im Zuge einer volkstümlichen Mode und später als Bestandteil eines politischen Programms zur Ausgrenzung des „Undeutschen“ gefördert. Der ehemalige k.u.k.-Offizier Karl von Mirkowitsch machte den Wiener Walzer wieder gesellschafts- und turnierfähig, seit 1932 tanzt man den Wiener Walzer auf Turnieren. Der Nürnberger Tanzlehrer Paul Krebs (1915-2010) verband 1951 die altösterreichische Walzertradition mit dem englischen Stil. Bei dem Tanzfestival in Blackpool im gleichen Jahr feierte er große Erfolge. Seitdem ist der Wiener Walzer als gleichberechtigter Standardtanz anerkannt, in das Welttanzprogramm wurde er 1963 aufgenommen.
Der Wiener Walzer war stets Symbol gehemmter politischer Umbruchsstimmungen und wurde z. B. als „Marseillaise des Herzens“ (Eduard Hanslick) bezeichnet, soll „Wien die Revolution erspart [haben]“, während Johann Strauß selbst „Napoléon Autrichien“ (Heinrich Laube) genannt wurde. Johann Strauß, Sohn gehörte in der Märzrevolution 1848 zu den Revolutionären, was ihm Kaiser Franz Joseph I. nie verzieh. Durch seinen kommerziellen Erfolg wurde der einstige Revolutionär allerdings harmlos. Im Walzer werden aggressive Energien durch beständiges Drehen eingebunden und abgeschliffen.

Stile

Es gibt weltweit zwei verschiedene Arten des Wiener Walzers, namentlich den Internationalen und den Amerikanischen Stil, von denen der Letztere hauptsächlich in den USA verbreitet ist. Während im modernen Turniergeschehen weltweit der Internationale Wiener Walzer ausschlaggebend ist, wird zum Beispiel bei Formations- und Schaudarbietungen auch in Deutschland gerne auf das breitere Figurenspektrum des Amerikanischen Wiener Walzers zurückgegriffen.
Die Technik des Wiener Walzer entsprang zunächst der Ballett-Technik, hat sich aber im Laufe der Zeit stark verändert und ist heute – wie bei allen Standardtänzen – sehr anspruchsvoll. Die hohe Geschwindigkeit und die ständige Drehbewegung machen den Walzer zu einem sehr anstrengenden Tanz. Wie für nichtstationäre Tänze des Welttanzprogramms üblich, bewegt sich das Tanzpaar beim Wiener Walzer entgegen dem Uhrzeigersinn um die Tanzfläche herum.
Als offiziell zugelassene Turnierfiguren des Internationalen Stils gelten lediglich die Rechtsdrehung (Natural Turn), die Linksdrehung (Reverse Turn) und geschlossene Wechsel (Closed Changes). Das Rechts- und das Linksfleckerl sowie Contra Check, Linker Wischer (Left Whisk) und Pivot Turns sind zwar verbreitete Variationen, aber nur erlaubt, wenn keine Figurenbeschränkung gilt. Der Amerikanische Stil beinhaltet darüber hinaus zum Beispiel auch offene Figuren außerhalb der gewöhnlichen Tanzhaltung.

Technik

Da sich das Paar schnell im Raum fortbewegt, entspricht die Bewegung eines Partners einer verkürzten Zykloide. Daher wird beim sich vorwärts bewegenden Teil eine große Strecke (aktiver Part) und beim rückwärtigen Teil eine viel geringere Strecke zurückgelegt (passiver Part). Herr und Dame wechseln sich ständig mit diesen Teilen ab.
Im Gegensatz zum Langsamen Walzer findet kein Heben und Senken im Fuß statt. Lediglich der Körper und die Beine strecken sich entsprechend. Trotzdem bleiben die Knie jederzeit flexibel.

Rhythmus und Musik

Der Wiener Walzer basiert auf dem 3/4-Takt, wobei ein Grundschritt aus sechs Schritten besteht und somit zwei volle Takte umfasst. Alternativ kann der Wiener Walzer auch auf einen 6/8-Takt getanzt werden, dann umfasst der Grundschritt genau einen Takt. Auf Bällen und Turnieren wird traditionell auf klassische Musik getanzt, es gibt allerdings auch modernere Stücke der Rock- und Popmusik, die einen geeigneten Rhythmus bieten (z. B. Dean Martin: That's amore). Der Wiener Walzer ist mit ungefähr 60 Takten pro Minute (entspricht 180 bpm) doppelt so schnell wie der Langsame Walzer.

Verbreitung

Der Wiener Walzer wird als einer der fünf Standardtänze weltweit auf Standardturnieren der höheren Startklassen getanzt, bei Turnieren des Deutschen Tanzsportverbands ab der B-Klasse.
Des Weiteren nimmt er eine Sonderstellung auf Bällen und Redouten ein: In Österreich wird mit dem Walzer An der schönen blauen Donau traditionell das Neue Jahr (in der Silvesternacht im Österreichischen Fernsehen und einem Dutzend anderer Radio- und TV-Sender rund um den Erdball) begrüßt und er ist auf vielen Hochzeiten der Tanz des Brautpaares (Hochzeitswalzer). Natürlich darf er beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker genauso wenig fehlen wie bei dem legendären Wiener Opernball.