Tanzen macht intelligenter

Interessant finde ich, dass es weit über 100 Arten gibt seinen Körper zu Musik oder einem Rhythmus zu bewegen. 

Es gibt den Samba no Pé, Zouk, Samba de Gafieira, Forró, Salsa, Bachata, Kizomba,  Boogie-Woogie, den Calypso, den Cha-Cha-Cha, Charleston, Foxtrott, Jive, Lambada, Mambo, Paso doble, den Rock’n’Roll, Rumba, Tango und natürlich den Twist. Früher gab es Tänze wie die Bourrée, Gavotte, Menuett, Polka, Quadrille, und gar den Rheinländer (echt wahr! Bonbons wurden dazu aber erst später geworfen). 

Es ist überliefert, dass einmal einganzes Volk um ein goldenes Kalb tanzte, was die Leute jedoch nicht zur Nachahmung empfehlen, weil sie dafür zur Strafe 40 Jahre lang durch die Wüste marschieren mussten. 

Andere Völker haben sich ihre Tänze bis heute bewahrt: die Spanier etwa den Bolero, die Ungarn den Csárdás, die Andalusier den Flamenco, die Briten den Hornpipe, die Italiener die Tarantella, die Polen die Polonaise, die Amerikaner den Square Dance und die Bayern natürlich ihren Schuhplattler. Jodelidü!


Natürlich gibt es auch Formen rhythmischer Bewegungslegasthenie: So mancher Kollege kann wegen eines Missverständnisses einen ziemlichen Tanz aufführen. Das sieht sehr unschön aus. Und mit derlei Verstimmten weiter zu diskutieren, gleicht oft einem Tanz auf dem Vulkan. 

Dann lieber aussitzen. Aber das wollte ich Ihnen heute gar nicht erzählen. Was ich Ihnen erzählen wollte: Tanzen macht intelligenter. 

Basis dieser Erkenntnis ist eine Langzeitstudie des Albert Einstein College of Medicine in New York. Die Forscher beobachteten 75-jährige Senioren. Dabei wollten sie herausfinden, ob und wie sich sowohl körperliche Aktivitäten (Tennis spielen, Golfen, Schwimmen, Radfahren, Tanzen, Spazieren gehen, …) als auch kognitive Leistungen (Bücher lesen oder schreiben, Puzzeln, Karten- oder Instrumente spielen, …) auf ihre geistige Fitness auswirkten. Das Ergebnis war verblüffend. 

Nahezu keine der körperlichen Aktivitäten wirkte sich positiv auf die mentale Leistungskraft aus. Im Gegenteil: Der Effekt war durchweg Null. Natürlich war der Sport gut für Herz und Kreislauf, förderte Kondition und Beweglichkeit. Aber dem geistigen Verfall wirkte er in keiner Weise entgegen. Mit einer Ausnahme: dem regelmäßigen Tanzen. ;-)

Es kommt noch besser: Regelmäßiges Lesen vermochte das Risiko der Demenz um 35 Prozent zu senken; Senioren, die vier Tage in der Woche Kreuzworträtsel lösten, senkten ihr Demenzrisiko sogar um 47 Prozent gegenüber jenen, die nur einmal die Woche puzzelten. Regelmäßiges Tanzen aber toppte das alles: Es senkte die Wahrscheinlichkeit der schrumpfenden Geisteskraft um ganze 76 Prozent!

Die Erklärung der Wissenschaftler: Demenz ist nichts anderes als der fortschreitende Verlust von Synapsenverbindungen. Jedes Mal, wenn wir etwas lernen, knüpft unser Hirn neue, neuronale Pfade. Über die Jahre entstehen so zahlreiche Straßen und Knotenpunkte zu unserem gespeicherten Wissen.

Denken wird durch dieses Netzwerk erst möglich. Demenz dagegen ist so, wie Deutschlands Autobahnen im Sommer: überall Baustelle. Ein Pfad nach dem anderen wird unterbrochen. Anfangs fällt das noch nicht auf, weil unsere grauen Zellen dann eben Umwege fahren. Nur dauert die Fahrt mit jedem Mal länger und länger. 

Substantive oder Namen weisen in der Regel die wenigsten Neuronenwege auf, zu ihnen reißt der Zugang mit fortschreitendem Alter deshalb oft als Erstes ab. Häufig bilden alte Menschen dann Synonyme, die den verlorenen Zugang überwinden sollen. Oder sie sehen eben ein bekanntes Gesicht und kramen stundenlang nach dem dazu gehörigen Namen: Kim? Heidi?? Horst??? 

Das heißt aber auch: Je komplexer unser neuronales Netzwerk ist, je zahlreicher die alternativen Verbindungen, desto unwahrscheinlicher wird es, dass wir den Zugang zu unserem Wissen verlieren. Sollte ein Weg im Laufe der Zeit ausfallen, bleiben immer noch genug alternative Pfade. Aus der Intelligenzforschung wiederum ist bekannt, dass es für die Denkstraßen essenziell ist, dass sie häufig befahren werden. Im Gegensatz zu Autobahnen nutzen sie sich mit zunehmendem Verkehr nicht ab oder verstopfen, sondern werden breiter und besser. Und das geschieht vor allem durch Nachdenken, was nichts anderes ist als tausende kleine (Abzweig-)Entscheidungen zu treffen. 

An der Stelle kommt das Tanzen ins Spiel.

Während die meisten Sportarten, wie Schwimmen oder Golfen, überwiegend bereits gelernte Bewegungsabläufe abrufen und diese allenfalls verfeinern, fördert Tanzen zahlreiche kognitive Prozesse, vor allem aber neue Entscheidung zu treffen. Wer mit einem Partner tanzt, muss blitzschnell auf dessen Bewegungen reagieren, gleichzeitig die eigenen mit dem Rhythmus abgleichen und je nachdem neue Bewegungen, wie etwa eine Drehung oder einen Ausfallschritt, planen und choreographieren. Das alles in Sekundenbruchteilen. Und jedes Mal anders. 

Der Tanz soll ja spontan aussehen und nicht wie abgespult. So haben denn auch die Freistil-Paartänze den größten Effekt auf die Intelligenz – also jene Tanzstile ohne festen Bewegungsablauf wie Swing, Foxtrott und zuweilen Latein. Nicht vergessen: Die Probanden waren Senioren. Salsa, Zouk, Bachata, Kizomba, Samba, Techno und Hiphop kannten die noch nicht! 

Der zweite Vorteil dieser Tänze ist, dass sie sowohl das Führen wie auch das Geführt werden einschließen, was die Anzahl der dafür nötigen Entscheidungen erhöht: Eine Frau, die geführt wird, ist somit keinesfalls geistig passiv, sondern höchst aktiv: Sie muss die Bewegungen ihres Partners interpretieren und darauf gekonnt reagieren. Womit ebenfalls klar ist, dass das geistige Training umso stärker ausfällt, je häufiger sie an dem Abend ihren Tanzpartner wechselt.

Bloß keine Routine! Das Motto gilt ebenso für Männer. Auch sie, so die Forscher, sollten ihre Tanzpartnerinnen öfter wechseln, ihren Führungsstil verändern und sich in abwechslungsreichen Abläufen üben. Je öfter, desto besser für das Gehirn.

In dem Sinne: Ein bewegungsintensives Wochenende und einen abwechslungsreichen Tanzpartner(in) kommende Woche!


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